SV Carmina

Reiseberichte

Reisebericht 10 (Aufenthalt in Port-Saint-Louis)

Winter und Frühling in Südfrankreich

Unsere Überwinterung findet in Port-Saint-Louis-du-Rhône statt. Gezwungenermassen vorerst, als wir dann weitergekonnt hätten, wollten wir nicht mehr.

Unsere turbulente Ankunft (Ecluse Maritime) habe ich am Schluss des Berichts 9 beschrieben. Nach unserer Ankunft stellte der Skipper dann fest, dass die kürzlich in Lyon eingefüllte Kühlflüssigkeit des Intergralkühlers auf mysteriöse Weise fast gänzlich verschwunden war. Der klägliche Rest war nicht mehr gelblich grün wie gehabt, sondern schmutzig braun. Und eine Kostprobe mit dem Finger bestätigte den Verdacht von Thomas: das Kühlwasser hatte sich mit dem Meerwasser vermischt! Wir hatten also wieder mal eine neue Baustelle...

Bevor wir uns aber an die Behebung der erneuten Probleme machten, erkundeten wir mal unsere neue Bleibe. Das Wetter zeigte sich von der Schokoladenseite. Wunderbare Sonnenaufgänge, blauer Himmel, angenehme Temperaturen. Dazu lernten wir unsere netten französischen Nachbarn kennen, Philippe und Dominique, die zusammen mit Hund Nemmo (16) auf ihrem Segelboot Earthling leben.

Schon immer hatte ich von Weihnachten unter Palmen geträumt und in Port-Saint-Louis gibt es Palmen! Obwohl, viele davon sind vor zwei Jahren verfroren, als das Thermometer im Februar auf aussergewöhnliche Minus 12.5 Grad Celsius sank. Ganz ruhig, mit Spaziergängen und Ausflügen mit dem Fahrrad verbringen wir die Weihnachtsfeiertage.

Unser Nachbar Philippe ist nicht nur ein ausgesprochen netter Kerl, er ist auch noch Fachmann in Sachen Motoren und kann Thomas mit Rat und Tat beistehen. Unser Motor hat nun ja auch schon mehr als 20 Jahre auf dem Buckel, Ersatzteile finden sich nicht an jeder Ecke. So klemmte sich Thomas mal wieder hinter seinen PC und machte sich auf die Suche nach dem passenden Ersatzteil. Da muss jedes Detail stimmen, auf den Millimeter genau, damit es dann auch eingebaut werden kann. Nach minutiöser Suche ist er fündig geworden und orderte das benötigte Teil in Holland. Diesmal lässt er mit UPS liefern, DHL hat ja nicht so überzeugt. Die Lieferung konnte problemlos im Internet verfolgt werden. Am 31.12. ist ersichtlich, dass unser Paket angekommen ist. Die Lieferadresse (Ponton A, Place nº 7) hatte Thomas vorgängig in der Capitainerie verifizieren lassen. Als gegen 17 Uhr noch immer keine Lieferung an Bord war, wurde er langsam unruhig. Also machte er sich wieder auf ins Büro der Capitainerie (ca. 250 m) und da wurde ihm mitgeteilt, dass UPS dagewesen sei und sie den Spediteur zu uns geschickt hätten!? Im Internet dann der neuste Satus: Annahme verweigert, Paket zurück an Absender! Da hatte es einer wohl ganz eilig, pünktlich zur Silvesterparty zu kommen. Statt die Escape am Steg zu suchen, suchte er das Weite. Der Anruf bei UPS in Vitrolle kam zu spät, das Paket war schon auf dem Flieger. Immerhin schickten sie es dann von Holland nach Frankreich auf ihre Kosten wieder zurück...

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Aber wir haben uns den Silvester deswegen nicht verderben lassen. Dominique und Philippe brachten Austern mit, Ralph Wein, Thomas kochte sein feines Curry und ich hatte zum Dessert eine Holländertorte gebacken. Ralph, der Schweizer, den wir in Avignon kennen gelernt haben, ist eine Woche nach uns auch nach Port-Saint-Louis gekommen und geblieben. Zu fünft mit Hund feierten wir einen gemütlichen Jahreswechsel bei einem feinen Essen.

Ob Neujahrsfest oder sonst ein Anlass, wir haben gute Freunde gefunden und geniessen die Zeit zusammen
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Eine Woche später ist dann das weitgereiste Ersatzteil wieder in Port-Saint-Louis angekommen. Thomas war nicht zugegen, als der Typ von UPS anklopfte. Ich fragte ihn, ob er derjenige sei, der an Silvester von der Capitainerie weggefahren sei. Er war's und hatte natürlich eine Erklärung parat, warum er nicht zu uns geliefert hat. Nun wollte er, dass ich den Empfang bei den Parkplätzen am Strassenrand quittiere und er die Kiste gleich da ausladen könne. Ich forderte ihn auf, den Wagen an den Quai zu fahren und da auszuladen. Da wurde er laut, aber ich habe ihn ermahnt, dass ihm das nun wirklich nicht anstehe, nachdem, was er geleistet habe. Also holte er seinen Lieferwagen. „Helfen Sie ausladen“, sagte er dann zu mir, „das Paket ist schwer“. Soviel wusste ich auch, es hat so seine 60 kg. Dann meinte der arrogante Typ, er könne die teure Fracht oben am Quai stehen lassen. Da spaziert aber Hinz und Kunz durch und ich soll so ein wertvolles Paket einfach da stehen lassen? Also liess ich nicht locker und er musste mittragen bis auf den Ponton runter. Philippe hat uns dann Francis Vandenbrugge von Obelix Marine empfohlen für die vorbereitenden Arbeiten des Einbaus. Auch die Revision der Heizung hat er in Auftrag genommen. Und mir hat er den Tipp vom feinen Cidre gegeben! Ich trinke ja keinen Wein, aber seither jeden Tag ein Glas feinen bretonischen oder normannischen Cidre zum Essen. Merci, Francis, et à votre santé!

In der Zwischenzeit machen wir Ausflüge zu Fuss und per Fahrrad mit Toby. Weil's zum Plage Napoléon doch sehr weit ist, hatte Thomas die geniale Idee, Hundchen in den Rucksack zu stecken. Toby's Begeisterung für diese Art zu Reisen hielt sich aber in Grenzen. Ich fuhr hinterher, musste aber alle paar Minuten „Halt“ rufen, damit wir den Hund wieder verpacken konnten. Er schaute halt immer nach rechts und links, zappelte rum, so öffnete sich der Reissverschluss immer mehr und er drohte rauszufallen. Am Strand angekommen, konnte er endlich nach Lust und Laune rennen. Auf dem Rückweg liesst ihn Thomas die halbe Strecke neben dem Fahrrad herlaufen. Als er dann wieder in den Rucksack gesteckt wurde, war er sichtlich froh darüber, sich jetzt ausruhen zu dürfen.

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Dann lernten wir einen alten Bekannten des Rhônetals kennen: den Mistral. Von kräftigem Wind bis Orkanböen haben wir alles erlebt. Sobald es Windböen über 90 km/h gibt, befestigt Thomas die Escape am Bug mit einem zusätzlichen Tau an einem grossen Poller, der früher für die Berufsschifffahrt benutzt wurden. Auch so tanzt unser Boot noch Rock'n'Roll. Aber man gewöhnt sich daran und, das ist das Positive am Mistral, er hält uns die Luft rein. Damit wir nicht ganz vergessen was „Winter“ heisst, hat es einen Tag lang geschneit. Sehr aussergewöhnlich für diese Gegend. Die Schneeflocken sind nicht liegen geblieben, aber auf den kalten Scheiben haben sie sich ein paar Sekunden halten können. Zum Glück hat Toby einen massgestrickten Pullover mit Kapuze, von Christine aus Vallamand erhalten. Très chic.

Das ist nämlich der Hauptgrund, weshalb wir von unserem ursprünglichen Vorhaben, den Winter in Martigues zu verbringen, abgekommen sind. Draussen, auf dem vorgelagerten Plage Napoléon, sieht man über den Golfe de Fos bis an die gegenüberliegende Küste. Dort befinden sich die riesigen Anlagen der Petrochemie. Und diese produzieren Unmengen von Emissionen, gut sicht- und riechbar. Für uns in Port-Saint-Louis zum Glück nur wahrnehmbar, wenn der Wind mal ausnahmsweise und selten aus Osten kommt. Saubere Luft gegen malerisches Städtchen: Port-Saint-Louis hat gewonnen! In einer Nacht mit starkem Sturm wurde uns dann eines der klappbaren Fahrräder gestohlen. Auf der Gendarmerie erzählten die Beamten, dass Diebe diese Stürme gerne für Ihre Beutezüge ausnützten, da es praktisch menschenleer ist zu diesen Zeiten und wegen dem heulenden Wind, umstürzenden Containern etc. auch nicht jedes Geräusch als aussergewöhnlich wahrgenommen wird. In besagter Nacht wurde einem Berufsfahrer während seiner Abwesenheit das ganze Schiff ausgeräumt.

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Die Annehmlichkeiten des Port de Plaisance in Port-Saint-Louis sind die Einkaufsmöglichkeiten. Die Auswahl ist beschränkt, aber man bekommt alles, was für den täglichen Gebrauch notwendig ist. Zum Inter Marché sind es nur ein paar Schritte, ebenso finden sich in der näheren Umgebung gute Bäckereien und zum Wochenmarkt müssen auch nur zwei Strasse überquert werden. Eine grosse Auswahl an saisonalem Gemüse und Früchten sowie frischer Fisch wird da angeboten. Anstehen für Bedienung bringt nichts. Nachdem ich die anderen Marktbesucher eine Weile beobachtet hatte, wurden mir die Regeln hier auch geläufig: am Marktstand hängen Plastiktüten und jeder füllt seine Ware selber ab. Erst dann gehts zum wägen und bezahlen. Im Supermarkt ist der Einkauf einfacher. Bis zur Kasse wenigstens! Die ersten zwei Wochen musste ich mich mit den Tricks der einheimischen Kundinnen vertraut machen. Die haben so einige Mätzchen auf Lager, wie man langes Anstehen vermeiden kann. Beispiele gefällig? Als ich grad meine Einkäufe aufs Band legen will, rauscht eine Bekannte der Kundin vor mir an, begrüsst diese mit Küsschen und legt ganz nebenbei ihre Einkäufe aufs Band. Wie ich mich noch vom eben erlebten zu erholen versuche, kommt eine weitere Freundin dazu und macht das gleiche! Na wartet, mich erwischt ihr nicht mehr, den Trick kenne ich jetzt. Den schon. Aber wie ich den nächsten Einkauf erledige, gehe ich auf eine freie Kasse zu. Ich will grad meine Sachen aufs Band legen, da kommt eine Kundin und nimmt ihren Einkaufskorb, den sie vorher bei der Kasse parkiert hatte und sagt: ich bin dran, hatte nur was vergessen. Mesdames, jetzt kenne ich eure Spielchen, denke ich. Das nächste Mal kommt eine ältere Dame mit nur zwei Artikeln in der Hand an die Kasse und bittet, diese schnell bezahlen zu dürfen. Selbstverständlich, kein Problem. Als die Kassiererin anfängt zu scannen, leert die dreiste Kundin aus ihrer mitgebrachten Tasche viele weitere Artikel. Zum Bezahlen zückt sie ihre Bankkarte, diese verweigert sich aber. Nächste Karte selbes Ergebnis, zum Schluss füllt sie einen Check aus, ein minutenlanges Prozedere... Doch mittlerweile stehe ich selbstbewusst an und weiss mich zu behaupten. Was ich auch gelernt habe ist, nicht zu gross Menus zu planen, sondern erst mal zu schauen was es gibt. Eier waren zum Beispiel nach Ostern eine ganze Woche ausverkauft, an manchen Tagen gibt's keine Bananen, an anderen keinen Mozzarella etc. etc.

Abwechslung im Hafenalltag erleben wir hauptsächlich dank unseren herzlichen Nachbarn Dominique und Philippe. Die zwei liebenswerten Franzosen leben mit kurzen Unterbrechungen seit 35 Jahren auf Segelschiffen, waren lange Jahre in Afrika und den Antillen unterwegs. Nach einer Rückenoperation von Philippe sind sie zur Zeit örtlich gebunden und sind so zu unseren temporären Nachbarn geworden. Welch ein glücklicher Zufall für uns! Wobei, die Sympathie ist gegenseitig. Sie haben ihr Auto hier im Hafen stationiert und so nehmen sie uns immer mal wieder zu einem Ausflug in die Umgebung mit, wir gehen ins Kino oder sie nahmen uns mit zu Guénat's, einem libanesisch/armenischen Restaurant in Martigues, das wir sonst nie kennengelernt hätten.

Einige Kilometer Flussaufwärts überquert eine Fähre die Rhône. Angrenzend sind riesige Salzsümpfe, die Salin de Giraud. Das gewonnene Salz wird heute leider nicht mehr als Speisesalz weiterverarbeitet, sondern als Streusalz für die Strassen im Winter verwendet. Schade drum, aber heute darf nichts mehr viel kosten und Meersalz wird deshalb aus Spanien importiert... In den Lagunen sehen wir die rosé farbenen Flamingos, die nach Nahrung im seichten Wasser suchen. Auf den kargen Weiden hat es Taureaus, die kleinen schwarzen Stiere. Diese für die Gegend typische Art wird für die Stierkämpfe gezüchtet. Jedes noch so kleine Städtchen hat seine eigene Arena für dieses Spektakel. Im Gegensatz zu Spanien muss hier aber kein Stier sein Leben lassen. Das passiert erst, wenn sein kräftiges Fleisch auf den Teller soll. Auch die berühmten weissen Camargue-Pferde sieht man ab und zu. Wenigstens gehört diesen wunderschönen Tiere in der touristenlosen Zeit die weite Camargue für ihre Streifzüge, bevor sie im Sommer wieder in Hitze und Staub Touristen auf ihren Rücken spazieren führen müssen. Auch wir geniessen die ruhige Zeit dieses Naturparks. Unendlich lange Strände und Dünen, kaum je begegnen wir anderen Wanderern. Nichts als Natur und das Rauschen des Meeres. Dominique und Philippe haben uns erzählt, dass die Gegend in der warmen Jahreszeit nicht mehr wieder zu erkennen sei. Dann stehe ein Camper neben dem anderen. Schrecklich, diese Vorstellung. Muss denn immer grad bis in die äussersten Winkel der Natur gefahren werden? Man hat ja zwei Füsse zum Laufen oder vielleicht ein Fahrrad. Wie schlimm die Situation aber wirklich ist, davon haben wir uns dann auf France 3 in einem Bericht von Thalassa ein Bild machen können. Wie die Heuschrecken fallen die Camper in die Natur ein, stellen ihre Blechbüchsen am Strand ab und verbarrikadieren sich mit Holzverschlägen. Dort bleiben sie dann monatelang, blockieren die schönste Gegend der Camargue mit ihren Wagenburgen, bevor sie dann im Herbst wieder von dannen ziehen. Alles was nicht mehr gebraucht wird, lässt der Camper natürlich zurück. Sollen die zuständigen Behörden und Gemeinden aufräumen. Zum Glück, wie Dominique erzählt hat, ist der Widerstand gegen dieses Treiben mittlerweile sehr gross und es sei eine Frage der Zeit, bis das Verbot zum campen ausgesprochen wird. Es besteht also berechtigte Hoffnung.

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Einen Ausflug mit der Escape nach Martigues haben wir schon unternommen. Nachdem unser Motor endlich wieder im Schuss war, wollte Thomas zeigen, dass wir ein Wassergefährt und nicht ein Wohnmobil auf Wasser haben. Also wurde die spezielle Seite für die Marine auf Météo France konsultiert. Die Wellenhöhe war mit peu agité für unser Unterfangen perfekt. Also machten wir uns mit Dominique und Philippe auf und überquerten den Golfe de Fos. In Martigues legten wir bei der Aus-/Einfahrt in den Étang de Berre am Steg für die Navette an. Diese hatte an diesem Nachmittag keine Kursfahrt. Von dort sind es nur wenige Schritte ins Zentrum der Altstadt und wir konnten einige Besorgungen machen. Auf der Rückfahrt hatte sich das Wellenbild dann doch etwas verändert. Nichts dramatisches, aber die Escape kam doch recht ins schaukeln. Ich geh mal vorsorglich runter und verstaue die zerbrechlichen Dekos, sagte ich zu Thomas. Treppe runter, mit beiden Händen festgehalten, ging grad noch so. Schnell die Bonbonnière und die antike Uhr unter die Bettdecke gesteckt, Orchideen ins Spülbecken, schon segeln die gerahmten Fotos runter. Dann springt die Tür des TV-Schranks auf und weil das Gerät auf einem Auszugstablar steht, muss ich mich dagegen stemmen. Daneben ist der Schrank mit den Gläsern, es klingen die Glocken. In der Küche ist noch keine Türe auf, aber ich höre wie's tönt... Abenteuer, sagt mein Skipper. Nemmo (16) und ein alter „Seehund“ nimmts gelassen, Toby zittert mal wieder wie Espenlaub. Zurück in Port-Saint-Louis geht's ans Aufräumen.In der Achterkajütte sind Bücher durch die Gegend gesegelt, eine Nachttisch-Lampe hat samt Stecker und Kabel das Weite gesucht. Das Geschirr und Pfannen sind arg durcheinander, aber alles ist heil. Ebenso Gewürze, Oel, Essig. Im Gläserschrank sieht's nach Chaos aus. Alles auf einem Haufen. Ich räume aus, vorsichtig wegen den Scherben. Am Schluss stelle ich fest: der ganze Schaden beläuft sich auf ein kleines Likörglas und das hatte bereits einen Sprung. Dann noch schnell Staub gewischt, alle Pflanzen und Deko-Artikel wieder auf ihren Platz et voilà, alles wieder gut!

Eine Woche, bevor Nemmo gestorben ist, waren wir noch auf einem 2-stündigen Strandspaziergang in der Camargue. Nemmo hat seine gewohnten Streifzüge gemacht, ist den ganzen Weg gezottelt und hat geschnüffelt. Ich habe immer gestaunt, wie viel Energie dieser alte Hund noch hatte. Toby, der junge Kerl, legte wie immer ein vielfaches des Weges zurück, hat im Sand gebuddelt und Holzstücke apportiert. Er ist sogar das erste mal im Meer geschwommen, weil er seinen Stecken unbedingt wieder haben wollte! Die auflaufenden Wellen hat er wie ein Kind hüpfend übersprungen und hat sich dann mutig ins Wasser gestürzt. So weiss wie vom Salzwasser ist das Fell sonst nie, da hilft das beste Shampoo nichts! Nachdem unsere Nachbarn ohne Nemmo vom Tierarzt zurück kamen, war unser Toby ganz deprimiert. Immer wieder hat er auf die Earthling runter geschaut und Nemmo gesucht.

Ein weiterer toller Ausflug mit Philippe und Dominique führte uns an die Küste Richtung Marseille. Von Port-de-Bouc, die Kamine der Petrochemie im Rücken, wanderten wir auf dem alten chemin des contrebandes (Schmugglerpfad) dem Meer entlang Richtung Carro. Bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen 20° C tummelten sich schon etliche Surfer in ihren Neoprenanzügen in den recht hohen Wellen. Wir dagegen erfreuten uns am Rauschen der Meeresbrandung, an der schönen Natur, netten Gesprächen mit unseren Nachbarn und Toby hatte wieder eine völlig neue Gegend zu erschnüffeln. Was für ein Hundeleben! Ab und zu konnten wir ihn zwischen den fast weissen Kalksteinen nur dank seinem wedelnden Schwanz erkennen. Die ganze Strecke hat er mindestens fünf mal zurückgelegt. Im alten Fischerdorf Carro angekommen, umrundeten wir den Hafen und suchten uns ein Restaurant mit schattigem Terrassensitzplatz (im März!). Dort gönnten wir uns erst mal eine Erfrischung und auch Toby erhielt einen Napf frisches Wasser. Denn, überall, wo er unterwegs seinen Durst zu stillen versucht hatte, gab's nur Salzwasser. Der Ortskern ist noch sehr urtümlich und ruhig. Ausserhalb stehen einige imposante Villen, Marseille ist nicht weit! Gleich beim Hafen spielen einige ältere Franzosen Pétanque unter knorrigen Olivenbäumen. Wir sind definitiv im Süden.

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Auch gut auszumachen am herrlichen Dialekt der Marseillan. Müsterchen gefällig? Bien = biäng, chien = chiäng, point = puäng, bain = bäng etc., das Ganze sehr schnell gesprochen und in den ersten Wochen für uns sehr, sehr schwer verständlich. Aber mittlerweile geniessen wir's. Nach der Ortsbesichtigung haben wir uns auf den Rückweg gemacht. Den auf der ganzen Strecke angebrachten Tafeln über Fauna und Flora dieser speziellen Gegend wurde nun auch mehr Beachtung geschenkt. Schliesslich ist unser Motto immer noch: live and learn! Nach der Rückkehr machten wir noch Halt in Martigues, wir hatten schon wieder Durst. Gleichzeitig wollten wir uns die beiden Häfen anschauen, da wir im Mai einige Tage da verbringen werden, wenn meine Schwester Brigitte zu Besuch kommt.

Den zweiten Törn über den Golfe de Fos machten wir mit der Earthling, dem Segelboot von Philippe und Dominique. An einem schönen Sonntag luden sie uns und Ralph ein zu einem Ausflug. Bis zum Ende des Kanals mit Motor, dann wurden die Segel gehisst. Thomas wurde von Philippe aufgefordert, das Ruder zu übernehmen und ich sah ihm an, dass es ihm Freude machte. Nach 50 Jahren segeln hat das eine Jahr auf dem Motorboot die alte Leidenschaft noch nicht löschen können.

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Nur, der Wind machte an diesem Tag gar nicht mit. Mehr als ein laues Lüftchen wollte sich nicht einstellen. So zirkelten wir eben im vielbefahrenen Golf umher und schauten, dass uns keiner der grossen Tanker und Containercargos unterpflügte. Dominique hatte für das leibliche Wohl gesorgt, mit selbst gebackenem Fischcake und Quiche Lorraine. Lecker! Zum Dessert dann noch Mille feuilles, die Thomas am Morgen in der Bäckerei besorgt hatte. Schlemmen, faulenzen und Gemütlichkeit.

Damit Toby sich mit anderen Hunden austoben kann, gehe ich oft in den Parc de la Revolution an der Rhône. Zur Erklärung: der „Parc“ ist eine gemähte Wiese, mittendrin ein paar Bäume und einige Eisenstangen (Eisenplastik?). Jedenfalls ist es der Treffpunkt der Hundehalter in Port-Saint-Louis. Da hat er vor allem mit dem liebenswürdigen Bull-Terrier Welpen Ass, der quirligen jungen Schäferhündin Easy und dem Jack Russel Terrier Hippy Freundschaft geschlossen. Oft hat es bis 6 oder 7 Hunde die spielen und rennen. Beim Apportieren gibt es aber meist nur eine Siegerin: Easy. Doch die anderen rennen unermüdlich hinterher und amüsieren sich. Der einzige der nicht mitmachen mag ist Prince. Ein kugelrundes kleines Hundchen, so dick, dass man nicht ausmachen kann, welches „Hunde-Modell“. Er sitzt lieber bei seinem betagten Herrchen auf der Bank. Herrchen geniesst es, mit den anderen Hundehaltern einen Schwatz zu halten. Er freut sich immer über Gesellschaft. Bis zum Park kommt er mit dem Auto, es sind also beide, Herrchen und Hund, nicht mehr ganz so fit und ergänzen sich ganz gut.

Inzwischen ist ein weiteres Schweizer Boot im Hafen angekommen. Alain und Alice aus der Westschweiz mit ihrer Ketch Dharma. Dieses Boot wurde nach 100-jährigen Plänen von einem Schweizer in 20-jähriger Arbeit aus Holz erbaut und dann von den Käufern nach Südfrankreich transportiert. Hier kam es erstmals mit Wasser in Berührung. Et ça flotte! Das Intérieur ist wie ein Museum für Schreinerei- und Intarsien-Arbeiten (ein Einheimischer hat gesagt: das schwimmende Swiss-Chalet). Apropos Chalet: Alain lädt uns sowie Philippe und Dominique zu einem echten Fondue Vacherin fribourgeois ein. Das schmeckt in der Ferne gleich noch viel besser. An der Technik seines Segelschiffs muss Alain jetzt noch einiges ändern bzw. verbessern, bevor sie dann auf grosse Fahrt gehen können. Mit den zwei Skippern leben auch der Hund Kenai, ein Sheltie, und die wunderschöne Katze Chiara auf dem Boot. Mit Kenai hat Toby natürlich sofort Freundschaft geschlossen und sie lernen viel von einander. Unser vorwitziger Toby imitiert den folgsameren Kenai, gibt jetzt sogar Pfötchen (was er vorher nie kappiert hat...), aber man will ja nicht hintenan stehen. Im Gegenzug hat Kenai aufgedreht. Er hat gelernt, sich zu verteidigen, ist jetzt auch mal der Obliegende und Toby unterwirft sich. Sind die beiden bei uns im Boot, spielen sie vorzugsweise in der Achterkajütte. Da geht dann die Post ab wie bei kleinen Jungs, deren Eltern mal eben nicht zugegen sind.

Als es den Skipper mal wieder juckt und wir ablegen, überqueren wir wieder den Golfe de Fos. In Martigues wird uns ein Platz zwischen zwei Segelyachten zugewiesen und wir schlüpfen mit dem Schuhlöffel hinein. Bis auf einen Kratzer am Bug gelingt das Manöver einwandfrei... Plätze in Martigues sind ganz offensichtlich Mangelware. Wir lassen unser Beiboot zu Wasser und fahren durch die kleinen Kanäle der Altstadt auf der Insel. Auf der anderen Seite des Kanals legen wir an und spazieren durch die Einkaufsstrasse. Mit 9 € Kleingeld in der Tasche waren wir losgezogen. Für 1 € kauften wir eine Baguette, mit den restlichen acht lade ich Thomas auf ein Eis ein. Sollte reichen, denkt Frau. Nur da machte ich die Rechnung ohne den Wirt. In Port-Saint-Louis, gleich gegenüber dem Hafen, kostet eine Kugel Glacé 2.50, zwei Kugeln 3.50. In Martigues bezahlt man wohl noch Touristenzuschlag. Ganze 9 € sollte das kosten. Nun war aber ein Euro schon für Brot draufgegangen... Als er merkte, dass ich wirklich nicht mehr bei mir hatte, sagte er: geben Sie mir was Sie haben!

Am nächsten Tag legten wir ab und fuhren in den Étang de Berre ein. In Istres fuhren wir in den Hafen und wollten da anlegen um dann das Städtchen, das sehr schön sein muss, von da aus zu erkunden. Also fuhren wir langsam in den Hafen ein. Platz hatte es nicht viel, der einzig mögliche eventuell gleich bei der Einfahrt. Zum Wenden fuhren wir nach hinten und da winkten schon die Hafenangestellten/-Arbeiter, die beim Einwasser von Booten waren, und deuteten Richtung Hafen-Aus-Einfahrt. Wir drehten und machten dann wie beabsichtigt ganz vorne neben einem freundlichen französischen Paar, das uns noch behilflich war, an. Kaum lagen wir einigermassen fest, kam einer der Typen, die vorhin mit den Armen gerudert hatten und teilte uns mit, dass wir nicht erwünscht seien, da zu gross bzw. zu lang für diesen Hafen. Mit guten Willen wäre es auf alle Fälle machbar gewesen, aber nach einer so „netten“ Begrüssung zogen wir es vor, ohne weitere Diskussion abzulegen.

Da Toby langsam wieder mal von Bord musste, ankerte Thomas dann weiter südlich in der Nähe eines schönen Strandes und setzte mit dem Escape-je über. Nachdem ich gesehen hatte, dass der Strand von nackten Männern bevölkert war, die natürlich sofort aufstehen mussten, sobald es Zuschauer hatte, zog ich es vor, auf der Escape zu warten.

Anfang April hat nicht nur unser Radio das Zeitliche gesegnet, sondern auch der Boiler hat beschlossen, dass seine Zeit gekommen sei. Nachdem Thomas alles geprüft hat ist er zum Schluss gekommen, dass es sich um das Heizelement handeln muss und dieses kann ersetzt werden. Es fehlen also die geeigneten Werkzeuge zum Öffnen des Boilers und dann das Ersatzteil. Der Boiler ist am denkbar ungeeignetsten Ort im Maschinenraum und dann noch falsch montiert. Wiedermal höre ich den Skipper fluchen, was das für .... gewesen seien, die solche Arbeit geleistet haben. Nach mehr als drei Wochen liefert die Post das heiss ersehnte Teil, Thomas kniet wieder nach unten und verdreht sich wie ein Kontorsionist, zerkratzt sich Arme und Hände, aber zu guter Letzt haben wir endlich wieder warmes Wasser. Was für ein Luxus! Duschen auf dem eigenen Boot und abwaschen, ohne erst mit dem Wasserkocher heisses Wasser zu produzieren.

Nachdem der Komfort wieder hergestellt ist, muss die Escape unbedingt wieder bewegt werden. Am Samstagvormittag, 3. Mai, haben wir uns noch zum skypen mit Nina, Alela, Joëlle und Denise verabredet. Ich muss unbedingt mal wieder die kleine Enkelin sehen und hören, die nächstens zwei Jahre alt wird.

Danach legen wir ab und schleusen am Mittag mit einem schwedischen Paar, das sich mit ihrer Segelyacht auf den Heimweg in den hohen Norden macht, in der Ecluse Maritime Richtung Rhône. Der Fluss hat reichlich Wasser und Strömung, in der Schweiz regnet es seit drei Tagen, wie wir eben gehört haben. Wir kommen gegen diese Wassermassen nur langsam voran und erreichen erst am späten Nachmittag Arles. Entgegen den Angaben im Guide Fluvial gab und gibt es keinen Anleger in dieser Stadt. Das ist sehr ärgerlich. Zum einen, weil es bis Avignon noch ein rechtes Stück Weg ist, zum anderen, weil den Bootstouristen so die Besichtigung dieser bestimmt schönen Stadt nicht ermöglicht wird. Wir jedoch biegen kurz nach Arles in den Canal du Rhône à Sète ab. Laut unserem Führer sollte es kurz nach der Abzweigung einen Halte fluviale, sogar mit Wasseranschluss, geben. Aber wieder Fehlanzeige. Wir müssen bei der Écluse Saint-Gilles anlegen, seitlich an einer Arbeitspéniche. Damit Toby an Land kann, muss Thomas ihn die Leiter hochtragen. Für den Weg runter holt er dann den Rucksack, zu gefährlich wäre es sonst. Am nächsten Morgen machen sie ihre Gassi-Runde mit dem Beiboot und lernen dabei gleich noch den Schleusenwärter kennen. Dieser teilt dem Skipper mit, dass die Rhône weiter steigt und das Schleusen dann vorübergehend nicht mehr möglich ist.

Am Nachmittag erreichen wir Aigues-Mortes. Im Mittelalter als Hafenstadt konzipiert, liegt Aigues-Mortes nach der Verlandung der Flachwasserzone heute rund sechs Kilometer vom Mittelmeer entfernt, ist aber von dort aus noch über einen Kanal erreichbar. Die Hauptsehenswürdigkeiten sind die vollständig erhaltene Stadtmauer, die Tour de Constance und die Altstadt . Wir legten mal provisorisch zwischen den zahlreichen Locaboats seitlich am Quai an, auch wenn wir höflich darauf hingewiesen wurden, dass der Hafenmeister das nicht dulde. Wir waren dann aber schon mal weg um die schöne Altstadt in Augenschein zu nehmen. Wirklich bemerkenswert, wie die Stadtmauer und auch die Häuser der Altstadt erhalten und gepflegt sind. Aigues-Mortes scheint sich ihres Kultur-Erbes voll und ganz bewusst zu sein. Als wir von unserem Bummel zurückkehren, begrüsst uns der Capitaine. Er kassiert Rekordverdächtige € 37.00 ein und weist uns gleichzeitig einen Liegeplatz ganz zuhinterst im Hafen zu. Also verlegen wir die Escape halt.

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Kaum haben wir festgemacht und das Stromkabel wieder angeschlossen, bufff, ein Kurzschluss! Der Boiler bzw. dessen Heizelement hat sich schon wieder verabschiedet. Für uns steht nun fest, dass leider nichts wird mit unserem Sommer in Frankreich (Canal du Midi etc.). Wieder einmal diktiert die Technik der Escape unser Programm und nicht wir sagen wo's lang geht. Das stimmt uns traurig. Aber es ist jetzt an der Zeit, dass wir nach Holland zurück fahren und Arjan Bruintjes sich unserer Probleme annimmt. So wie die Situation die letzten Monate war, können wir nicht mit einem guten Gefühl weiter reisen.

Trotzdem setzten wir am nächsten Morgen natürlich unsere Fahrt fort, nachdem wir noch kurz mit Doris und Adriano aus dem Tessin zusammen gesessen sind. Die zwei Tessiner haben sich in Aigues-Mortes ein Boot gekauft und freuen sich auf kommende Reisen. Doris erzählt uns ihre Gleichung vom Schneckenhaus: die Schnecke hat mit ihrem Haus alles dabei, was sie braucht. Deshalb reisen sie mit einem kleinen VW-Bus und haben sie jetzt ein 10-Meter-Boot gekauft. Wir kommen heute bis Frontignan. Die Hubbrücke ist vorläufig mal das Ende der Etappe. Angegeben ist eine Durchfahrtshöhe von 4,25 Meter, zuwenig für uns. Es warten schon einige Boote auf die Öffnung, als wir von unserem Stadtbummel zurück kommen. Wir denken, dass wir am Abend erst mal unser Bimini bzw. den Geräteträger legen müssen um dann am nächsten Morgen durchzuschlüpfen. Wie aber eine deutsche Yacht, nicht viel weniger hoch als wir, durchfährt, beschliesst Thomas, es ebenfalls zu versuchen. Ich stelle mich aufs Vorschiff und muss den Geräteträger bzw. die Distanz zur Brücke im Auge behalten. Und es klappt! Einzig die Funkantenne wackelt. Diese Brücke wird nur zwei Mal pro Tag angehoben, da ist das Durchkommen schon eine erfreuliche Sache. Wie uns der Hafenmeister auf der anderen Seite der Brücke dann erklärt, ist die Durchfahrtshöhe bei Wasserhochstand angegeben und das variert bis zu einem halben Meter.

Am nächsten Tag kreuzen wir kurz nach Frontignan an einer engen Stelle das Frachtschiff PAX. Dieses kennen wir von vielen Passagen bei uns im Hafen von Port-Saint-Louis. Auf der Weiterfahrt erfreue ich mich an den brütenden Seemöven. Die Kanalbegrenzung auf der Steuerbordseite ist durch Erosion zwar teilweise fast gänzlich am zerfallen, aber die Möven finden immer noch ein Plätzchen zum Brüten. Einige Jungvögel sind schon geschlüpft. So sehe ich das erste Mal aus nächster Nähe junge Möven, wie graue Federkugeln sitzen sie zwischen den Steinen, man muss schon genau hinschauen.

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Am Ende des Kanals erhebt sich linker Hand der Hügel von Sète, rechts ist die Mündigung des Étang de Thau mit seinen riesigen Muschelbänken. Wir drehen eine kleine Schleife, Thomas will mir zeigen, wie gross der Étang ist und wo die Abzweigung in den Canal du Midi ist. Dann fahren wir zurück Richtung Sète. Wieder bremst uns eine tiefe Brücke. Die morgendliche Durchfahrtszeit von 10.20 Uhr ist vorbei, es ist Mittag, und die zweite und letzte Öffnung des Tages ist um 19.00 Uhr. Ideale Poller zum Festmachen der Escape können wir nicht finden, denn an zwei Punkten sollten wir unser grosses Boot schon befestigen. Also nehmen wir einen vorhandenen Poller und einen Brunnen (die anderen Poller sind schon besetzt). Kaum ist Thomas mit Toby von Bord, kommt ein Anwohner mit zwei Kanistern und reklamiert was von wegen das sei ein öffentlicher Brunnen. Ich frage ihn, ob wir ihn beim Wasser holen stören. Das kommt gar nicht gut an bei ihm. Er wettert weiter so von wegen Touristen und Anstand und sowieso... Ich trinke meinen Kaffe und beachte ihn nicht weiter. Jedenfalls bleiben wir bei „seiner“ Fontaine publique, wir haben schliesslich keine andere Wahl. Wieder mal lassen wir unser Beiboot ins Wasser. Damit kommen wir natürlich wunderbar unter all den Brücken durch bis hinaus in den Aussenhafen, wo wir gerne hinwollen. Sète muss in seiner Blütezeit eine wunderbare Stadt gewesen sein, davon zeugen auch heute noch viele prachtvolle Gebäude. Im Port Maritime angekommen, wird uns leider mitgeteilt, dass alle Liegeplätze für den Abend reserviert sind. Es werden 30 Segelboote erwartet, die von einer Regatta zurückkehren. Uns wird ein Platz vor der Pont Gare, mitten in der Stadt angeboten. Das ist uns auch recht. So kehren wir zurück auf die Escape und warten auf die Brückenöffnung am Abend. Gleich gegenüber unseres temporären Anlegers ist das hübscheste Häuschen der ganzen Häuserzeile bei der Einfahrt nach Sète. Mit viel Liebe im maritimen Stil dekoriert, ich kann mich gar nicht satt sehen. Gegen Abend kommt dann die Bewohnerin auf einen Schwatz längsseits. Sie erzählt uns, dass das Häuschen von ihrem Bruder gemietet wird und auch von ihm so schön zurecht gemacht wurde. Der griesgrämige selbsternannte Brunnenwärter kommt auch noch mal vorbei. Aber wir lassen uns von so einem missmutigen Menschen nicht den Tag verderben. Soll der mit seinem Frust alleine fertig werden. Nach der Öffnung der Brücken eins und zwei fahren wir zu unserem zugewiesenen Anleger. Nach dem Abendessen schauen wir das Fussballspiel FC Barcelona – FC Bayern München.

Früh am anderen Morgen wache ich auf, geweckt durch lautes Geplauder. Neben der Escape ist doch tatsächlich der Treffpunkt der Fischer und der Clochards. Als Thomas um 08.00 Uhr mit Toby vom morgentlichen Rundgang zurückkommt, sind sie schon beim Frühstück: Rosé und Baguette! Wir halten uns an den gewohnten Tee. Nach dem Frühstück gehen wir noch einkaufen und legen dann ab. Nach einer halben Stunde öffnet Brücke Nummer drei. Die Öffnungszeiten auf dem Plan, den uns die Capitainerie überreicht hat, sind mehr verwirrlich als pünktlich. Vor der vierten Brücke warten wir und warten, warten (mit uns noch drei Segelboote). Nach einer gefühlten Ewigkeit ruft Thomas per Funk die Capitainerie und fragt, wann wir denn mit der Durchfahrt rechnen dürften. Erst am Abend, lautet die Antwort! Ja, aber die Brücken hätten nicht geöffnet vor 20 Minuten, teilt der Skipper mit. Das müsse eben eine Stunde vorher avisiert werden, teilt der Capitaine mit. Alles gemacht, gestern Abend schon und heute früh wieder. Plötzlich öffnet sich Brücke vier. Der Brückenwart hat ja das Gespräch mithören können und ist wohl aus seinem Nickerchen erwacht. Und so passieren wir die letzten zwei Hindernisse, bevor wir nach der Hafenausfahrt ins offene Mittelmeer hinaus fahren. Das Wasser ist azurblau und glatt. Die ersten drei Stunden sind Genuss pur. Ab und zu ein Segelboot oder Fischkutter, sonst nichts als Wasser. Dann kommt eine sanfte Dünung auf, die bald stärker wird. Dass wieder einmal alles verstaut wurde, hat sich also doch gelohnt! Trotzdem springen Schranktüren auf, CDs verteilen sich auf dem Boden, die Besteckschubladen machen sich selbständig, es scheppert und klirrt. Als wir gegen Abend das Rhône-Delta und die Einfahrt in den Golfe de Fos passiert haben und in den Kanal Richtung Port Saint Louis einfahren, habe ich Zeit, alles wieder an seinen Platz zu stellen. Wieder hat einzig ein Glas hat den Wellenritt nicht überstanden!

Mit dem Frühsommer ist deutlich mehr Leben in den Hafenalltag gekommen. Etliche Boote aus Skandinavien, England, Deutschland, sogar Australier sind angekommen. Aber auch wieder weitere Schweizer. Ein junges Berner Paar, Ädu und Nicole mit ihren zwei kleinen Kindern, Yuri 4-jährig und Nora 17-Mte, wird kurzfristig unser neuer Nachbar. Ich kann mich nicht satt sehen an der kleinen Nora, sieht sie doch aus wie eine Doppelgängerin unserer kleinen Enkelin Alela mit ihren blonden Locken, blauen Augen und dem verschmitzten Lachen (ich vermisse sie sehr!).

Jetzt herrscht langsam Badewetter. Leider können wir nicht mit dem ÖV an den Strand fahren, da das Mitnehmen von Hunden im Bus in Frankreich nicht gestattet ist. Wir versuchen es deshalb mit dem Beiboot bis ausserhalb der Digue zu kommen. Nach den Muschelbänken hat es eine kleine Insel. Das Escape-je müssen wir im untiefen Wasser stehen lassen und waten mit Rucksack und Toby los. Auf und über der Insel hat es unzählige Möven. Erst an Land merken wir, dass das ein Brutplatz dieser Vögel ist und so machen wir uns halt wieder auf den Rückweg. Als wir ins Beiboot eingestiegen sind, schwimmen in kaum einem Meter Entfernung frisch geschlüpfte Schildkröten an uns vorbei. Mit Baden (bis auf nasse Beine vom Waten) war nichts. Aber so viel Naturerlebnis entschädigt allemal.

Bevor wir unsere Zeit hier in Südfrankreich beenden, kommt uns meine Schwester Brigitte noch für ein paar Tage besuchen. Sie reist mit dem TGV nach Marseille, dann weiter nach Martigues und wir somit über den Golfe de Fos in den Hafen von Martigues. Das Wetter ist sommerlich warm und nach einem kurzen Besuch des Wochenmarktes auf der Île beschliessen wir, in den Étang de Berre zu fahren. Vor einem schönen Küstenabschnitt des Parc de Figuerolles ankern wir, zusammen mit anderen Motor- und Segelbooten. Mit unserem Beiboot setzen wir ans Ufer über. Was von weiterem aussah wie Kies entpuppt sich als lauter Muscheln! Ein breiter Strand mit nichts als Muscheln in allen erdenklichen Formen und Farben. Die mitgebrachten Badetücher werden ausgelegt, aber hinlegen mag sich niemand auf diesem Untergrund. So machen wir uns auf, den Parc de Figuerolles ein Stück weit zu entdecken. Es wurden gepflegte Wanderwege angelegt und so streifen wir durch die duftenden Pinienhaine. Allerlei Sträucher und Blumen säumen den Weg. Langsam steigt er hügelwärts an und von dort oben zeigt sich eine tolle Aussicht auf den azurblauen Étang. Zurück beim Boot setzen wir wieder zur Escape über und kühlen uns von der Badeplattform aus im angenehm warmen Wasser ab, sogar Toby darf ein paar Schwimmzüge machen. Seine Begeisterung hält sich wie immer in Grenzen Zu meinem grossen Erstauen hat es im absolut klaren Wasser sogar kleine Quallen (Ohrenquallen).

Das Abendessen geniessen wir im libanesisch/armenischen Restaurant Guénat's. Wieder sind wir über die Qualität des Essens begeistert und ebenso über die gelebte Gastlichkeit der Wirtefamilie.

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Die nächsten zwei Tage hat uns der Mistral einen Strich durch die Rechnung bzw. durchs Programm gemacht. Statt wie geplant einen Ausflug auf die Frioul Inseln vor Marseille machen zu können, müssen wir uns mit Sightseeing in Martigues begnügen. Aber dieses Städtchen, das auch Venedig von Südfrankreich genannt wird, ist es allemal Wert, dass man es sich anschaut. Malerische Gässchen, kleine Wasserstrassen mit Fischerbooten, alte Brücken, hübsche Bistros und Restaurants. Und dann die Boutiquen und Spezereiengeschäfte! Brigitte und ich haben jedenfalls genug zu schauen und zu kaufen. Der schöne kleine Laden mit Hand gefertigten Seifen und Accessoires, danach Varie-Thé, ein Tee Fachgeschäft wo ich endlich unseren Teevorrat auffrischen kann etc. etc.

Unser Boiler ist ja immer noch kalt, die Infrastruktur des Hafens Martigues im Umbau und so hat Brigitte die geniale Idee, wir könnten uns die Haare auch beim Coiffeur machen lassen. Gesagt, getan und mit frisch gestyltem Haupt darf Thomas uns ins Restaurant „Le Miroir“ ausführen. Auch hier: wunderbare Küche und sehr freundliche Bedienung.

Und weil alles Schöne irgendwann ein Ende hat kommt die Zeit des Abschieds viel zu schnell und wir müssen Brigitte wieder Richtung Schweiz ziehen lassen. Au revoir, à bientôt, es war eine wunderschöne Zeit mit dir!

Nun sind wir nochmals für eine Woche zurück im Hafen von Port-Saint-Louis und bereiten uns auf die lange Rückfahrt in den Norden vor. Die Escape wird am Donnerstag noch auf den Lift genommen und aus dem Wasser gehoben. Mit dem Kärcher wird Thomas das Unterwasserschiff, Ruder und Schraube von Muscheln befreien. Die dabei anfallende Menge wird sicher reichen, damit ich den ganzen Hafen zu Spaghetti alle Vongele einladen kann!!!

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